Donnerstag, 10. September 2009

Dalai Lama

Sonja von Staden, eine wunderbare Künstlerin schreibt hier von ihrer Begegnung mit dem Dalai Lama. Ihre Worte haben mich sehr berührt, deshalb möchte ich euch den Text nicht vorenthalten.


Meine Begegnung mit Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama, in Frankfurt
Reflektion eines sehr intensiven Erlebnisses

Er ist ein Mensch. Ein lustiger, entspannter Mann.
Was also lässt mich vor Rührung und Herzensenergie beinahe weinen, wenn ich ihn hereinkommen sehe? Ist es meine Erwartung oder seine Kraft, die mich so aufgeregt sein lässt?
Er spricht in einfachen Worten. Wenn er in Englisch seine Botschaften vermittelt, wirkt er sehr konzentriert und mit seiner höheren Quelle verbunden. Manchmal macht er einen Witz und lacht rau, so dass alle Menschen mitlachen müssen. Während seine Worte übersetzt werden, blickt er interessiert um sich, lächelt und ist ganz bei sich. Manchmal nickt er versonnen. Er grüßt die Besucher, winkt und lacht. Es ist einfach schön, ihn zu beobachten und ihm zu lauschen.

Die Besucher in der großen Arena sind alle aufmerksam dabei. Es herrscht eine friedliche Stimmung - auch in mir. Gerade diskutiert er mit dem Benediktinerpater Anselm Grün und dem Zen-Meister Roshi Bernard Glassmann über den Umgang mit Krisen und Veränderungen.

„Frieden entsteht durch Liebe und Frieden mit dem, was in mir ist.“ Zitat Anselm Grün.

Es macht mich glücklich mitzuerleben, wie diese zutiefst spirituellen und doch so lebenspraktischen Männer auf ihre ganz eigene Weise soviel Wahrheit vermitteln. Mit Humor, Klarheit und Weisheit. Weisheit ist gelebtes und angewandtes Wissen. Hier sehe und spüre ich es.

Zurück zu meiner Reflektion zu Seiner Heiligkeit.
Was macht es so besonders, dem Dalai Lama zu begegnen? Ich hatte das große Glück, eine persönliche Audienz mit ihm zu erleben. Dank meiner Teilnahme an der Ausstellung „Artists for Dalai Lama“, zu der ich von der Organisatorin der Veranstaltung – Andrea Kuhlmann – eingeladen wurde. Eine Ehre für mich. Allein die Ausstellung war schon eine bemerkenswerte Erfahrung, doch die Audienz übertrifft alles, was ich bisher erleben durfte.

Mit Seiner Heiligkeit in einem Raum zu sein, ist wie eine Begegnung mit der Wahrheit und Weisheit in einem menschlichen Körper. Der Dalai Lama ist ein Symbol für diese Weisheit, für den Weg des Glücks, für eine heitere, leichte und doch sehr konzentrierte Spiritualität. So diszipliniert, so klar trotz des Stresses seines anstrengenden Lebens. Seine ständigen Reisen rund um den Globus mit all den Vorträgen und Begegnungen mit den Menschen wären schon für einen jungen Menschen eine Herausforderung. Doch er ist mittlerweile 74 Jahre alt. Man sieht es ihm nicht an und würde ihn Anfang 60 schätzen.

Ich bewundere ihn für sein liebevolles, gelassenes Wesen, und gleichzeitig habe ich Mitgefühl für die Last, die er trägt. Er trägt sie mit Würde. Mit seiner Bereitschaft, diese Last zu tragen, zeigt er uns allen, dass es möglich ist, unseren Teil dazu beizutragen, um Frieden in die Welt zu bringen.

So habe ich ihn erlebt, als er wenige Meter vor mir saß. Etwas angespannt, weil er von einem Termin zum nächsten hetzen musste. So sind seine Tage immer angefüllt mit vielen Menschen und Gesprächen. Unsere Audienz fand in einem nüchternen Konferenzraum statt, der mit viel mehr Menschen angefüllt war, als ich vermutet hatte. Eigentlich sollten nur die Künstler der Ausstellung und des Konzertes, zusammen mit einigen Sponsoren der Veranstaltung dabei sein. Es war sehr unruhig im Raum, alle waren aufgeregt, die Presse tat ihr übriges, um wenig Möglichkeit für eine Konzentration auf das Wesentliche zuzulassen.

Als Seine Heiligkeit mit seinen Begleitern und Bodyguards den Raum betrat, ging ein Blitzgewitter von Handys und Kameras los, das zwar verständlich, doch wenig schön war. Die Audienz sollte eine halbe Stunde dauern. Ursula Karven, bekannte Schauspielerin und spirituelle Botschafterin, machte das Interview und stellte interessante Fragen. Ich versuchte die ganze Zeit, das unruhige Außen auszublenden und mich ganz auf die Energie dieses großartigen Mannes einzulassen. Was für eine Herausforderung!
Es gelang mir nur bedingt.

Irgendwann meinte der Dalai Lama, dass es doch ursprünglich darum ginge, die Künstler zu treffen und bat uns zu ihm auf die Bühne. Mein Magen hüpfte, mir wurde heiß und kalt vor Aufregung und ich ging nach vorne. Doch kaum war ich dort – ich konnte Tenzin Gyatso direkt neben mir stehen sehen – stürmten so viele Menschen samt Presseleuten nach vorne, dass der Dalai Lama förmlich aus dem Raum gespült wurde! Seine Beschützer mussten ihn regelrecht vor dem Andrang retten.
Es machte mich traurig und ein wenig wütend, da bin ich ehrlich. Gern hätte ich diesen einzigartigen Augenblick mit Seiner Heiligkeit in einem Foto mit ihm festgehalten.
Im Nachhinein bin ich glücklich, überhaupt diese Ehre erlebt zu haben. Noch jetzt – Tage später – ist mir bewusst, dass es mich in meiner Entwicklung sehr beeinflusst. Nun trage ich „offiziell“ diesen Titel als „Botschafterin des Dalai Lamas“.

Ich persönlich fühle mich sehr motiviert. Die Botschaften, die ich im Laufe der zwei Tage hörte, während ich mit meinem Mann Siranus den Vorträgen und Diskussionen lauschte, waren nicht neu für mich. Zum großen Teil lebe und vermittle ich diese Wahrheiten selbst schon lange. Doch es ist gut, neue Standpunkte zu hören. Es motiviert, mich noch mehr mit meinem Licht und meinem Potential zu zeigen. Ich fühle mich inspiriert, mich immer weiter zu entwickeln, um mich selbst noch stärker zu spüren und anderen wiederum ein Vorbild zu sein. Einfach nur, indem ich das lebe, was ich schreibe, male und erzähle.
Ich fühle mich inspiriert, noch offener für die Menschen zu sein und sie mit Liebe und Klarheit in ihre Selbstverantwortung zu begleiten, wenn sie dies wünschen.

Diese Wirkung hat der Mann aus Tibet. Er inspiriert, den inneren Frieden zu leben und dadurch gleichzeitig im Außen Frieden zu erschaffen.
Der Witz ist – und deshalb lacht er vermutlich auch so viel, dass es so einfach ist! Es ist der einfache Weg, der uns weiterbringt. Es ist der mittlere Weg jenseits der Extreme – die große Erkenntnis des Buddha. Das Einfache, Konzentrierte, Aufmerksame in uns bringt uns zu uns selbst zurück. In unsere Mitte, aus der wir frei und selbstbestimmt agieren können. Da beginnt Frieden und Freiheit. In uns selbst und für die Welt.

Der Dalai Lama ist die verkörperte Mitte. So habe ich ihn von nahem und weitem zwei Tage lang erlebt. Sein Ego ist kaum spürbar, wenn es überhaupt noch vorhanden ist. Er spricht immer nur aus seiner Sicht, damit er einen Anker für seine Lehren hat, die er selbst lebt. Er spricht von seinen eigenen Erfahrungen, um zu zeigen, dass man diese Lehren wirklich leben kann und sie nicht nur leere Worthülsen sind. Das macht in so sympathisch. Er spricht auch von seinen eigenen Herausforderungen, indem er humorvoll erklärt, dass er erwiesenermaßen über keinerlei Heilkräfte verfügt, denn sonst wäre ihm die komplizierte Gallen-Operation erspart geblieben, die er hinter sich hat. Wieder lacht er so rau und ansteckend! Zehntausende lachen mit ihm. Auch ich.
Dann erzählt er, dass die Ärzte ihn für seine gute Konstitution bewunderten, weil er so schnell wieder auf den Beinen war – dank seiner mentalen Disziplin, seinen Meditationen und seine Liebe zum Leben.

Er macht seine Lehre transparent. Er praktiziert Mitgefühl, erklärt es auf eine Weise, die verständlich ist, weil es wirklich einfach ist.

Seine Heiligkeit lebt Frieden. Er unterstützt den Dialog zwischen vermeintlichen Feinden. Er vermittelt zwischen verhärteten Fronten und bemüht sich, allen Menschen klar zu machen, dass jeder Mensch als göttliches Wesen geboren wird. Nur seine Gesinnung, seine Einstellung und seine Art, mit anderen Menschen umzugehen, kann ihn zu einem Feind eines anderen Menschen machen. Wenn ich also einem Menschen begegne, sollte ich ihn in erster Linie als Bruder oder Schwester im göttlichen Geiste sehen. Dann kann ich entscheiden, wie ich mich seinen Aktionen gegenüber verhalte. Ich kann seine Aggressionen ablehnen, kann mich um Veränderung bemühen, doch stelle ich seine Göttlichkeit nicht in Frage.

Mich beschäftigten einige Fragen während des aufregenden Wochenendes: Warum sträubt sich die westliche Welt so sehr gegen das Mitgefühl, obwohl nicht nur der Buddhismus, sondern auch die christliche Kirche auf dieser Basis aufbaut? Warum fällt es den modernen Menschen so schwer, zwischen Ignoranz, Mitleid und Mitgefühl zu wählen?

Das Wichtigste ist, nicht nur leere Worte zu vergießen – es gilt zu handeln! Es gilt, Mitgefühl zu erforschen, für uns selbst und für den Rest der Welt. Und dann gilt es, dieses Mitgefühl in die Tat umzusetzen.
Alle zusammen. Es ist möglich, Menschen völlig unterschiedlicher Nationen, Einstellungen und Vorstellungen zusammenzubringen. Ihnen zu zeigen, wie es sich anfühlt, wirklich intensiv zu fühlen. Mitgefühl und Selbstliebe hängen direkt zusammen. Nur wenn ich mich selbst spüre, wenn ich mich selbst lerne zu lieben, kann ich ein Gefühl für andere Seelen entwickeln. Eines entwickelt sich aus dem anderen und durch das andere.

Genau diese Handlung praktizieren die Buddhisten. Im Vordergrund steht nicht immer der eigenen innere Wert, doch es geht immer um Selbsterkenntnis. Der Wert folgt dann sowieso. Erkenne ich mich selbst mit all meinen Beweggründen, meinen Wünschen und Fähigkeiten, kann ich über mich selbst hinauswachsen und für andere wirken. Wenn ich mich selbst entwickle – aus meinem Leid heraus wickle – bin ich automatisch anderen Menschen in meinem Umfeld ein Vorbild. Wenn ich Selbstverantwortung übernehme für mein eigenes Leben, kann ich auch eine gewisse Verantwortung für meine Welt übernehmen.

„Eine Welt – ein Geist – ein Herz.“ Das war das Motto des Besuches seiner Heiligkeit.

Und er hat es schön formuliert: „Eine Welt, damit kann ich gehen. Ein Geist und ein Herz ist kaum möglich, da jeder Mensch anders denkt und fühlt und andere Erfahrungen hat. Doch wenn wir uns selbst entwickeln, gibt es mehr Verständnis für die Welt und ihre Menschen. Dann können wir die andere Gesinnung und die anderen Gefühle tolerieren. Frieden kann entstehen.“

Veränderung beginnt im Herzen. Eine Welt. Wenn jeder Mensch erkennt, dass diese Erde SEINE Welt ist, wird sie zur Herzensangelegenheit! Dann wird die Liebe zum Leben wirklich fühlbar. Und breitet sich wie eine Welle über die Welt aus. Am Ende, wenn alle Menschen lernen, sich zu fühlen, wenn sie den inneren Frieden finden, wird Mitgefühl lebbar für alle Menschen. Dann wird Frieden möglich und selbstverständlich.

August 2009

Sonja von Staden

http://www.sonjas-engelwelt.de

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